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Equipe della Bellezza - Der Beauty-Schwadron

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Der Salon ist klein, verwinkelt, hat niedrige Decken. Trotzdem passen drei Plätze mit Trockenhauben (jawohl, gibt es noch!) hinein, drei Waschtische, vier Frisierplätze, eine undefinierte Zahl Displays von Kosmetikmarken, von denen ich grösstenteils noch nie in meinem Leben gehört habe, auch die letzte freie Ecke ist mit Regalen und Beauty-Produkten für Gesicht, Körper, Haare plus Arrangements mit Accessoires aller Art angefüllt. Es stehen Tischchen für Maniküre und Pediküre zwischen den anderen Möbeln und sogar noch Sitzgelegenheiten, Mini-Lounges. Hinter zwei Schiebetüren verbergen sich Behandlungsräume, in die genau jeweils eine Liege bzw ein Stuhl hineinpassen. In einem davon moi, ich lasse mich massieren, der Nacken.

Der Salon befindet sich in einem Bergdorf in Italien, das einen eher verschlafenen Eindruck macht, nicht viel zu sehen von etwaigen Modetrends oder dem letzten Schrei aus der Beautyszene, alles ganz normal, bürgerlich, nett. Im Salon herrscht Hochbetrieb, es ist ein ganz normaler Vormittag, gen Wochenende allerdings. Fast jeder Platz ist besetzt. Und obwohl die Masseurin mit Räucherstäbchen und Mantras aus dem iPod versucht, eine entspannende Atmosphäre zu kreieren, verhindern die Papier dünnen Wände nicht, dass man die Geräusche aus den benachbarten Räumen mitbekommt. Keine Chance, die Konversationen in Italienisch auszublenden. Und obwohl ich der Sprache nicht besonders mächtig bin, bekomme ich doch einiges von dem, was gesprochen wird mit. Ein Gewirr von Geschichten, man fragt sich gegenseitig, wie es den Kindern so geht, es scheinen ausschliesslich Mütter anwesend zu sein. Halt, nein, eine wird gefragt, wie viele bambini sie möchte und muss Rede und Antwort stehen, sie scheint ein junges Ding zu sein der Stimmlage nach, und anscheinend steht ihre Hochzeit bevor. Die Frauen rühmen ihre Ehemannwahl, er sei ein Guter, ein Treuer. So ganz anders wie der von der anderen, ihr wisst schon, str….! Eine Tirade an wütenden Schimpfworten ergiesst sich in den Raum, die erst wieder abebbt, als Buongiorno! eine Neue den Laden betritt. Sie verschafft sich Gehör und ganz kurz vernimmt man nur ihre eine Stimme, man kann sich förmlich vorstellen, wie alle stocken, den Atem anhalten und zuhören, bis erneut ein Schwall ziemlich emotionaler Worte durch die Räume flutet. Erst versuche ich noch, die einzelnen Storys zu verstehen, einzuordnen, aber das ist viel zu anstrengend in einer Sprache, die ich nur rudimentär beherrsche. Viel besser ist, sich von dem Singsang und dem Auf- und Abebben der Frauenstimmen einlullen und sich davontragen zu lassen. Ich fühle mich seltsam geborgen hier, es ist, als ob die Solidarität der Frauen, diese eingeschworene Gemeinschaft wie ein schützender Mantel wirkt. Ich kenne keine von Ihnen, ich weiss nicht Mal, ob ich die Bruchstücke ansatzweise richtig interpretiert habe, ich weiss auch nicht, ob sie in der Lage sind, jeweils einer, die nicht anwesend ist, die Augen auszukratzen. Wahrscheinlich schon, es sind Italienerinnen, sie lassen sich nicht sehr viel gefallen. Aber hier und jetzt sind sie sich einig.

Die Szenen erinnern mich an einen wunderbaren Film, The Women, 1939 gedreht von George Cukor (wurde neu verfilmt, 2008, kenne die Version – noch – nicht). In dem Film spielen ausschliesslich Frauen, Drehorte sind unter anderem ein Beautysalon und ein Haute Couture Salon. Match entscheidende Dinge werden hier besprochen, Wahrheiten ans Licht gebracht, Entscheidungen getroffen. Magisch, wer solche Locations dirigieren kann, vielleicht sogar Einfluss darauf hat durch die richtige Terminvergabe, wer wann mit wem unter der gleichen Haube oder im selben Anprobezimmer sein wird!

Der Frisörladen, das Kosmetikgeschäft oder auch eine Boutique taugen heute in unserer Gesellschaft nicht mehr wirklich zum Social Treffpunkt, zumindest nicht in den grossen Städten. Und kaum eine von uns geht so regelmässig, in ihrem Quartier/ihrem Dorf/ihrer Gemeinde, wenn es denn überhaupt so einen verwunschenen Ort gibt, dass sie dann dort auch noch ihre Freundinnen/Feindinnen trifft, man hat seine gefühlsmässig engen Kontakte meist viel zu weit räumlich voneinander entfernt. Geschweige denn, dass man sich über die neuesten Storys austauscht, heute passiert das über facebook und Instagram. Wie schade. Eine Kultur geht verloren. Die Kultur der uneingeschränkten Solidarität, die sich spontan ergibt, wo man sein Leid klagen kann und alle reichen Taschentücher, wo man glückliche Eriegnisse verlautbaren kann und alle jubeln und wo man für eine Stunde live das Gefühl hat, mal nicht unter Hyänen zu sein. Zumindest nicht offensichtlich. Natürlich werden hier auch Intrigen gesponnen, Geheimnisse verraten, es wird getratscht und geklatscht was das Zeug hält. Und nein, es ist nicht das selbe wie wenn man das in einem Café macht, da hören Männer zu. In diesem Salon in Italien war für eine halbe Minute absolute Funkstille, als zwei Männer, zwei Carabinieri den Raum betraten, ich weiss nicht, wen oder was sie suchten. Kaum hatten sie den Salon jedoch wieder verlassen, ging das Stimmengewirr ungebremst weiter.

Wenn ihr so einen Magic Ort kennt, sage es bitte weiter, für meinen reise man Santo Stefano d’Aveto. Die Equipe della Bellezza wird euch mit offenen Armen empfangen – natürlich werden auch Männer bedient.

PS: Die Massage war eine der besten, die ich jemals geniessen durfte….

Words und Foto: Dörte Welti

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