VIELE PFERDE UND EIN BMW

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BMW X3 M Competion

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Eine Einladung zum White Turf in St. Moritz kann Fragen aufwerfen, die man sich als Alltagsjunkie sonst nicht stellt. Die Frage der Outfits zum Beispiel oder ob man die richtigen Handtaschen besitzt. Sind Moonboots «out» und Sneaker von Balenciaga «in» oder gibt es Moonboots von Balenciaga? Und mit welchem Auto kreuzt man überhaupt in der schicken Wintermetropole der Schweizer Alpen auf? 

Letzte Frage war die einfachste, denn wenn schon denn schon sollte man stilecht und mit Allrad über den Julierpass reiten. Ich hatte beschlossen, mir das Abenteuer mit Carlabelle zu teilen, meine älteste Tochter und seit ein paar Monaten erfolgreiche Autovloggerin. So ein Swiss Top Event ist eine perfekte Kulisse, um sich mit den Kameras auszutoben und mit dem richtigen Auto untern den Hintern könnte das ein sensationelles Übungsstück werden.

Weil BMW Sponsor des White Turfs (wer’s nicht kennt: das White Turf ist eine Pferdesportveranstaltung auf dem zugefrorenen St. Moritzersee) ist, lag es nahe, bei der Schweizer Dependance der Bayerischen Motorenwerke anzuklopfen, ob sie eventuell ein kleines bayerisch blaues Auto für drei Tage entbehren würde könnten, mit dem man über die Pässe von Zürich ins Engadin und wieder zurück kommt. Sie konnten und wollten. Wir möchten doch das Auto Freitagmorgens holen und Montags nach dem White Turf wieder abliefern, im Ganzen. Keine Frage.

Carlabelle und ich hatten keine speziellen Wünsche (ausser Allrad, die Berge und so) gehabt. Man ist dankbar, wenn man überhaupt einfach so für ein paar Tage ein Auto anvertraut bekommt. In der BMW (Schweiz) AG Zentrale in Dielsdorf überreichte man uns den Schlüssel, es sei der Phytonicblaue da draussen. Ein Blick durchs Fenster und Carlabelles Augen strahlten: Unser Reisemobil war ein BMW X3 M mit dem Zusatz «Competition». Mit diesem Plus konnten wir wortwörtlich erst einmal nicht viel anfangen. BMW X3 ist die untere mittlere Grösse der SUVs von BMW (es gibt X1 bis X7 in diversen Ausführungen), ein Modell, dass es schon seit 2003 gibt, damals hiessen diese Autos SAV (Sports Acitivity Vehicles). M steht für die sportliche Ausstattung, die sich bei BMW quer durch alle Modelle in den Designdetails und natürlich in der Motorisierung niederschlägt. Aber «Competition»?

Eine Startknopfbetätigung später bekommen wir was um die Ohren: 510 PS. 6-Zylinder Biturbo. 6250 Umdrehungen pro Minute (es soll bis 7000 gehen, dann kommt ein Begrenzer, eh nicht ausfahrbar in der Schweiz). Grosse Freude: Dreieinhalb Tage Spass können beginnen. Tage, in denen sich auch eine Generationendiskussion entwickelt: Wer braucht so ein Auto wozu und vor allem wie? Uns eint der Eindruck, dass das Auto von Aussen eher klein wirkt für einen so starken SUV, wenn man drinnen sitzt, aber unglaublich bullig und geräumig wirkt. Ab da aber gehen unsere Vorlieben auseinander. Carlabelle bevorzugt zum Beispiel eine tiefere Sitzposition als ich, ich hab gerne mehr Überblick. 

Wir fahren, Carla übernimmt den ersten Heat. Die Achtstufenautomatik zieht ganz gut an, in 4,1 sek von 0 auf 100, sagt die Werksinfo, wir probieren das beide nicht aus. Finden aber, dass es ganz schön viel Kraft braucht, das über 2 Tonnen schwere Gefährt auf Touren zu bringen. Und viel Sprit. Wenn man ordentlich mit dem Sportfahrwerk und seinen Einstellungen spielt und viel rumprobiert, schnellt die Verbrauchsanzeige in schwindelnde Höhen. Carlabelle hatte schon rumprobiert am Freitag, am Samstag sind wir nach St. Moritz gefahren, sind ein wenig vor Ort von A nach B gefahren zum Locations suchen und am Sonntag dann zurück. Bei der Rückfahrt meldete sich die Tankanzeige bereits am Julier und verkündete Durst. Nach bummeligen 470 Kilometern. Das ist heftig, auch für so ein grosses Auto. 

Mir entspricht sowieso mehr das praktisch orientierte Fahren. Und das verbrauchsarme. Ich muss den Biturbo nicht ausreizen, mir gefällt das Bewusstsein, zu können, wenn ich wollte, aber nicht zu müssen. Das gilt nicht so sehr für den ganzen elektronischen Schnickschnack, den die modernen High Tech Kreationen wie dieser SUV haben. Brauche ich drei Mal drei verschiedene Fahrwerkseinstellungen? Ich will damit ja nicht auf die Rennstrecke, muss mich (hoffentlich) nie in Grenzbereichen bewegen. Die digitale Welt, die in diese modernen Autos Einzug gehalten hat, begreife ich meist erst nach mehreren Tagen try and error, eine wie Carlabelle erkennt die Funktionen vom Schiff aus. Sie liebt den digitalen Schlüssel, mit dem sie schon von Weitem das Auto vorheizen kann. Als wir das ausprobieren und auf den Parkplatz kommen, brummt nicht nur unser BMW. Es gibt anscheinend noch mehr Luxusfahrzeuge, die man per App oder so einem Display Key schon mal anwirft, wenn man noch beim Dessert ist. 

Wir hätten gerne das Auto auf das Eis gefahren, aber da dürfen nur die oberen Hundert und natürlich die Pferde hin. Wir sind weder noch. Eine dekadente Filmeinstellung, wie wir am Vorabend des Rennsonntags zum obligatorischen White Turf Cocktail im Badrutt’s Palace vorfahren, scheitert ebenfalls, weil sich ungefähr zwanzig Limousinen auf der handtuchbreiten Hotelzufahrt gleichzeitig darum bemühen, ihre erlauchten Gäste direkt vor dem edlen Loch abzusetzen. Also verlegen wir die Filmerei auf den nächsten Tag und passen gut auf am Cocktail bei der Vorstellung der 15 Starter für das höchstdotierte Pferderennen der Schweiz, dem LONGINES 81. Preis von St. Moritz. Die Eigentümer werden präsentiert, nicht Trainer, nicht Pferd, nicht Reiter. Der very britische Herr, dem Pferd No 9 gehört, lächelt sympathisch und unprätentiös. Beim anschliessenden Dinner, das wir uns im super angesagten La Scarpetta No2 gönnen, ist das aber wieder vergessen.

Am nächsten Morgen ist kitschiger Bilderbuchsonnenaufgang, Carlabelle steht total motiviert auf, schnappt sich den Autoschlüssel und ist dann mal weg, schöne Einstellungen filmen. Anschliessend gehen wir auf je zwei Füssen zum See, auf dem sich im Laufe des Tages bis zu 13 500 Menschen tummeln werden. Man kann wetten auf die 1PS-Racer, Einsatz ab CHF 2. Ein lustiger Spass, aber mir sind eigentlich schon CHF 2 zu viel, um sie sinnlos zu verlieren. Das LONGINES-Rennen ist das dritte Event auf dem Platz. An den beiden Läufen davor beobachte ich kreischende Menschen, im kühlen Wind wabernde Pelze, glitzernde Diamanten, die gesamte Modellreihe von Hermès Bags und sehr viele Beautysurgery-Ergebnisse. Alles zusammen übt eine sonderbare Stimulanz aus. Wieso nicht doch mal wetten? Ist doch nur Spass. Ich erinnere mich an den Abend vorher, an den netten Pferdeigentümer. Seine No9 ist sicher ein Siegertyp, aber ich bin zu feige, setze nur auf Platz (also dass das schöne Tier eventuell vielleicht geruht, auf Platz 1, 2 oder 3 einzulaufen). Was soll ich sagen: No 9 gewinnt (im Foto: mit dem Jockey in Blau-Weiss, wie wenns bestellt wäre für BMW…). Nein, man darf nicht darüber nachdenken, was wäre wenn. Trotzdem macht sich Stolz breit, Zeit ein Gläschen Sprudelndes zu trinken, man begibt sich zum VIP-Bereich, man gehört ja jetzt irgendwie dazu, so mit Moonboots (nicht von Balenciaga) und Fake Fur und LV Tasche und einem Fast-Wettsieg-immerhin-Platzgewinn. Auch Carlabelle ist aus dem Häuschen, ihr hatten die Besitzer von Pferden No 4 und 5 gefallen, auch sie nicht übermutig, setzt beide auf Platz. Was sollen wir sagen: No 5 kommt als Zweiter durchs Ziel. So viel Intuition ist nicht gut, gar nicht gut, man bekommt so ein Gefühl von da-geht-noch-was und wir haben nur mit Kleinstbeträgen gespielt! 

swiss-image.ch/Photo Andy Mettler

Ein Highlight der Läufe auf dem schneebedeckten See ist das Skikjöring, eine Sportart, bei dem das Pferd einen Jockey auf Skiern hinter sich herzieht. Eine turbulente Sache, wir wetten nicht. Carlabelle und ich schnappen uns die Starterliste vom letzten Flachrennen, keinen blassen Schimmer, wir kennen  ja nicht ein einziges  Pferd. Wir studieren die Namen. Zwei erregen unsere Aufmerksamkeit, eines wegen des schönen Namens, das andere, weil es noch nie gewonnen hat. Als Einziges. Ich denke, heute ist Dein Tag, Baby, also der des Pferdes, heute wird er siegen, aber ich habe mich so über meinen ersten kleinen Gewinn gefreut, dass ich das Schicksal nicht herausfordern will. Carlabelle wills wissen, entscheidet sich für den schönen Namen. Ich setze nichts. Was soll ich sagen: Das Pferd, das noch nirgends gewonnen hat, gewinnt heute. Nein, nicht drüber nachdenken… Schön wars, danke.

Am Schluss des Tages gab es noch die Chance, die Verantwortliche für die Rennorganisation zu sprechen in einer flugs organisierten Pressekonferenz. Annina Widmer ist auch Veterinärin. Die Pferde würden es lieben, sagt sie auf Anfrage. Aber warum muss man sie dann dermassen mit der Peitsche antreiben? Als Gast, der man nicht so oft zum Pferderennen geht, ist das kein schöner Anblick. Das White Turf hat nicht nur Fans, auch Gegner, die Sinnfrage wird sich immer wieder gestellt. Wenn zum Beispiel wie beim Skikjöring in diesem Jahr der Skifahrer stürzt oder das Pferd verliert und das Pferd dann auf einmal alleine über die Rennpiste rast, übrigens ganz von alleine und ohne Peitsche und ganz fröhlich eigentlich, dann aber ohne kundige Lenkung irgendwann die Kurve auf dem Schnee nicht kriegt und einfach lang hinschlägt. In diesem Jahr hat sich das Pferd, das stürzte, nichts gebrochen. Es stand auf und rannte unverletzt zurück in den Stall. Aber es hat schon Unfälle gegeben, wo das Pferd getötet werden musste. Und ja, gibt es bei jedem Sport, egal ob mit Tieren oder Maschinen oder nur Menschen. Unfälle mit Todesfolge. 

Auch spannend in diesem kleinen Podiumsgespräch die Diskussion, ob Pferde bei diesem Höhentraining (der St. Moritzersee liegt auf 1768 Meter) bessere Leistung bringen. Ist nicht erwiesen, sagt die Veterinärin, man rate sogar eher davon ab, auf Dauer Pferde so hoch oben zu trainieren. Der anwesende Pferdetrainer hingegen weiss zu berichten, dass Pferde, die hier oben gewonnen haben, in der Regel zurück auf Normalnull die nächsten ein, zwei Rennen ebenfalls gewinnen würden. Das sei schon auffällig. Zum Glück weiss ich nicht, wo No 9 und mein Erstlingssieger demnächst laufen, ich könnte mich glatt vergessen…

Dann ist der schöne Anlass vorbei, wir kamen nicht in den Genuss des exklusiven Gamma Caterings (unter der kundigen Leitung von Anke Krause, seit Anfang 2018 Mehrheitsaktionärin) in den VIP Bereichen, dazu muss man von denen, die die VIP Zelte buchen, eingeladen sein, not us. Wir durften uns in der Aussenlounge an Käse, Kartoffeln und lebenden Tieren (Austern, not me) gütlich tun und das war auch sehr edel, sozusagen die VIP-Light-Version, natürlich auch von Gamma. Wir steigen also in unsere 510 Pferdestärken und treten gemeinsam mit allen anderen Wochenendengadinern die Heimfahrt nach Zürich an. Mit der Tankuhr im Blick, die ja wie gesagt Durst anzeigt, geht’s in einen glühenden Sonnenuntergang und in Anbetracht des Verkehrsaufkommens auf eine eher geruhsame Autofahrt. 

Fazit: Der BMW X3 M Competition war für uns die Überraschung schlechthin. Wir sind etwas über 600 Kilometer damit gefahren. Ein ausgereiftes Kraftpaket, von dem die Generation Carlabelle träumt, das für mich persönlich aber a touch too much wäre, ich hatte noch am Abgabetag damit zu tun, die einzelnen Features zu entdecken. Der BMW X3 M kostet in der Basisversion schon CHF 99 900, mit dem Competition-Paket (CHF 10 780) und jensten Extras kommt unser Testwagen auf CHF 130 340. 

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